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Beitrag vom 14.06.2017
Wonder Woman. Ein Film von Patty Jenkins. Kinostart 15.06.2017
Lisa Baurmann
Eine Comicverfilmung zwischen Superheldinnensaga, griechischer Mythologie und Kriegsfilm. Die Regisseurin Patty Jenkins ("Monster") setzt diese Gegensätze gekonnt in Szene und schafft komische Momente, die Geschlechterklischees unterlaufen. Die israelische Schauspielerin Gal Gadot überzeugt als...
... übermächtige und unumwunden für das Gute kämpfende Wonder Woman.
Irgendwo an einem versteckten Ort, 1918: Diana (Gal Gadot) wächst als einziges Kind der Königin auf der Amazoneninsel Themyscira auf – bis mit einem Flugzeugabsturz vor der Küste die düstere Realität des Ersten Weltkriegs in das bisher geschützte Paradies einbricht. Die Prinzessin fühlt, dass der mythische Kriegsgott und Erzfeind der Amazonen Ares hinter dem schrecklichen Krieg steckt und beschließt, nach Europa zu reisen, um Ares zu finden und ihn zu besiegen. Im Kriegsgeschehen entdeckt sie dessen Ausmaße menschlichen Leids – und gleichzeitig ihre unglaublichen Fähigkeiten, die sie mit dem Ziel einsetzt, das Sterben zu beenden.
Natürlich ist "Wonder Woman" einerseits, was wir von einem Hollywood-Action-Blockbuster zu erwarten haben: Ein stilisierter Kampf des ewigen Guten gegen das ewige Böse, mit unzähligen Kampfszenen und Explosionen, mit One-Linern und Klischees, mit knapp bekleideten und stets perfekt gestylten Schauspielerinnen, die den vorherrschenden Körpernormen entsprechen. Und dennoch ist er in vielerlei Hinsicht nicht der Film, mit dem in dem Genre normalerweise zu rechnen wäre.
Heldinnen vor und hinter der Kamera
Noch nie führte eine Frau Regie bei einem der Kassenschlager, die auf der Grundlage der Comics aus den Häusern DC oder Marvel seit einigen Jahren so erfolgreich und lukrativ produziert werden. Patty Jenkins, Regisseurin des preisgekrönten Dramas "Monster", ist nun die Erste. Eine Revolution, auch gemessen an der Tatsache, dass immer noch sehr wenige Frauen bei den großen Produktionen mit hohem Budget – dem Team von "Wonder Woman" standen für das Genre noch recht bescheidene 149 Mio. Dollar zur Verfügung – Regie führen. Die Zahlen sind frappierend: von den 250 Filmen, die im Jahr 2016 am meisten einspielten, zeichneten Regisseurinnen nur für 7% verantwortlich.
Revolutionär ist allerdings nicht nur die Tatsache, dass eine Frau die Verfilmung von "Wonder Woman" übernahm, sondern auch der Stoff und seine Umsetzung durch die Regisseurin. Mit Wonder Woman (aus der DC-Comicwelt) wird der Superheldin schlechthin zum ersten Mal ein eigener Langfilm gewidmet. Das allein wäre wohl schon Grund genug, den neuen Blockbuster zu feiern. Hinzu kommt, dass der Cast hochkarätige Schauspieler_innen in starken Frauenrollen vereint. Gal Gadot ("Fast & Furious") besticht als Diana von Themyscira. Ihre jugendliche Leidenschaftlichkeit wird flankiert von dem strengen Ernst ihrer Mutter, Connie Nielsen ("Gladiator") als Könign Hippolyta, und der heroischen Tapferkeit ihrer Tante Antiope. Als letztere brilliert Robin Wright, die derzeit als die toughe Lobbyistin Claire Underwood in der Netflix-Serie "House of Cards" zu sehen ist.
Aber der wahre Triumph ist, wie Diana von Themyscira alias Wonder Woman dargestellt ist. Sie durchbricht nicht nur Geschlechterrollen, indem sie eine unbezwingbare Kämpferin ist, sondern hinterfragt auch gängige Darstellungen von Superheld_innen, die ihre Gegner_innen triumphierend bezwingen und fast jede Art von Gewalt gegen die Bösewichte legitimieren. Auch Diana sieht sich zuerst im Recht im Kampf gegen Kriegsgott Ares, der aus ihrer Sicht die Gräuel des ersten Weltkriegs zu verantworten hat. Dann beginnt sie, zu zweifeln – und Mitleid mit denen zu empfinden, gegen die sie kämpft.
"The world is in crisis"
Die Empathie und der – vielleicht naive – Glaube an das Gute im Menschen ist nicht Wonder Womans Schwäche, sondern macht sie stärker.
Das mag kitschig klingen. Die Regisseurin wehrt sich allerdings in einem Interview mit der NY Times gegen diesen Vorwurf. Für sie stehen die Werte, die Diana verkörpert, für aufrichtigen Glauben an Ideale.
"Cheesy is one of the words banned in my world. I´m tired of sincerity being something we have to be afraid of doing. It´s been like that for 20 years, that the entertainment and art world has shied away from sincerity, real sincerity, because they feel they have to wink at the audience because that´s what the kids like. We have to do the real stories now. The world is in crisis."
Die Welt steckt in der Krise – auch in dem Setting von "Wonder Woman". Der Kontrast, den Jenkins dadurch schafft, dass sie die idealistische Diana, die wie eine Märchenfigur anmutet, in das zerstörte Belgien zwischen Schützengräben, Artillerie und Giftgasangriffen schickt, beeindruckt. Die Amazone realisiert dort in der düsteren Realität, dass die industrielle Kriegsführung des 20. Jahrhunderts kaum mehr etwas mit den Erzählungen von heroischen Schlachten und Held_innentaten gemein hat. Die Neuinterpretation des Comics zeigt hier Ansätze eines kritischen Kriegsfilms.
Spiel mit Klischees
Es ist ein weiterer genialer Schachzug Jenkins´, mit Klischees und Stereotypen des Genres zu spielen und sie teilweise in ihr Gegenteil zu verkehren. Mit Chris Pine als Steve Trevor bekommt Diana ein Love Interest zur Seite gestellt. Die Welten, die in der Verbindung zwischen der im Paradies aufgewachsenen Amazone und dem britischen Militärspion aufeinander prallen, sind geschickt in Szene gesetzt. Doch während anderswo die etwas weltfremde Diana als naiv, unerfahren und hilfsbedürftig dargestellt würde, sind sie und Steve gleichberechtigt, lernen voneinander, schützen sich gegenseitig vor Gefahren. Die komischen Momente des Films gehen sogar oftmals auf seine Kosten.
Steve Trevor ist es, der mit seinem Flugzeug vor Themyscira abstürzt und von dem bereits vier Jahre währenden Krieg berichtet. Diana folgt ihm auf dem Segelschiff zurück nach London. Die erste Nacht, die die beiden gemeinsam auf der Überfahrt verbringen, bringt den jungen Mann, ganz Gentleman mit Wertvorstellungen der 1910er Jahre, gehörig in Verlegenheit – sich neben eine Frau schlafen zu legen, schicke sich nicht. Diana erklärt unverfroren, dass die Amazonengelehrten ohnehin vor Jahrhunderten festgestellt hätten, dass Männer für sexuelle Lust nicht notwendig seien.
In London angekommen und dort bereits den Kriegsgefahren ausgesetzt, möchte Steve Diana in paternalistischer Manier vor einem Überfall durch deutsche Agenten retten. "Stand back!" fordert er sie auf und stellt sich schützend vor sie. Als sie die erste Pistolenkugel, die ihn tödlich verwundet hätte, wortlos mit ihrem magischen Armreif abfängt, zweifelt der schockierte Steve: "Or maybe not" – bevor Diana es eigenhändig mit allen Angreifern gleichzeitig aufnimmt. Die Regisseurin erklärt in einer Szenenanalyse für die New York Times, dass sie diesen Rollentausch bewusst eingesetzt hat.
Mehr Vielfalt in Hollywood – für wen?
Etwas enttäuscht wird die Erwartung, dass Hollywood endlich mehr Vielfalt vor und hinter der Kamera fördert, dennoch. Obwohl die Amazoneninsel von hunderten starken Frauen bevölkert wird, gibt es nur sehr wenige Women of Color in Sprechrollen, geschweige denn als zentrale Figuren. Immerhin einige Sätze wurden für Senatorin Acantha geschrieben, mit kraftvoller Ausstrahlung verkörpert von der in Uganda geborenen, in Essen aufgewachsenen und in Berlin lebenden Florence Kasumba, die bisher vor allem aus deutschen TV-Produktionen (unter anderen "Tatort: Der illegale Tod") bekannt ist.
Ab 15. Juni 2017 ist "Wonder Woman" in deutschen Kinos zu sehen, in Berlin im CineStar im Sony Center auch als IMAX-3D-Version.
Im Libanon und Tunesien hingegen wird keine Ausstrahlung des Films gestattet werden. Zum Anlass nehmen die Initiator_innen der Verbote, dass Hauptdarstellerin Gal Gadot Militärdienst in der israelischen Armee geleistet hat. In Jordanien werde ein Verbot derzeit noch erwägt, schreibt die Jüdische Allgemeine am 13. Juni 2016.
AVIVA-Tipp: Wer sich einmal darauf eingelassen hat, ein überzeichnetes Action-Spektakel zu sehen, wird "Wonder Woman" als überaus unterhaltsam und überraschend vielschichtig zu schätzen lernen. Eine Frau in der Heldinnenrolle und bekannte Erzählmuster unter umgekehrten Vorzeichen zu sehen, ist ungemein erfrischend und überzeugt in der Umsetzung. Auch mit seinen Schwächen ist der Film ein erster Schritt in Richtung eines Hollywood, von dem zu hoffen ist, dass es seine Bekenntnisse zu weniger Diskriminierung und mehr Vielfalt künftig ernst nimmt.
Zur Regisseurin: Patty Jenkins ist Drehbuchautorin und Regisseurin, deren Spielfilmdebut "Monster" zahlreiche Auszeichnungen gewann, unter anderen einen Oscar für Charlize Theron in der Hauptrolle als Serienmörderin Alieen Wuornos. Seitdem führte sie Regie bei zahlreichen TV-Serien, unter anderem für "The Killing", "Arrested Development" und "Entourage". Ihr Pilot für "The Killing" wurde für einen Emmy nominiert und gewann einen Directors Guild of America (DGA) Award. Eine weitere Nominierung bei den DGA Awards erhielt sie für ihren Beitrag zu "Five", eine Kurzfilmreihe, die die die Geschichten von fünf Frauen mit Brustkrebs erzählt.
Mehr Infos: Patty Jenkins in der IMDB und auf Twitter
Zur Hauptdarstellerin: Gal Gadot ist Schauspielerin und Model. 1985 in Tel Aviv geboren, gewann sie 2004 den "Miss Israel"-Wettbewerb und leistete 2005 bis 2007 ihren Wehrdienst in der israelischen Armee ab. Es schlossen sich mehrere Rollen in israelischen TV-Produktionen an, unter anderem die der Miriam Elkayam in "Bubot". Ihre Hollywood-Karriere begann sie 2009 in der Rolle der Gisele Yashar in "Fast & Furious", die sie auch in den drei Fortsetzungen der Reihe 2011, 2013 und 2015 verkörperte. Gadot debutierte bereits als Diana Prince alias Wonder Woman in "Batman v Superman: Dawn of Justice" aus dem Jahr 2016.
Mehr Infos: Gal Gadots offizielle Website
Wonder Woman
USA 2017
Regie: Patty Jenkins
Darsteller_innen: Gal Gadot, Chris Pine, Robin Wright, Connie Nielsen, Danny Huston, Elena Anaya, David Thewlis u.v.m
Länge: 140 Minuten
Kinostart: 15.06.2017
Website mit Trailer: wonderwomanfilm.com
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